Das Original ist Kult, aber das Remake ist sogar noch besser!
Von Christoph PetersenDas kann kein Zufall mehr sein: Aktuell scheinen Filme, die ursprünglich zwischen 2000 und 2002 in die Kinos gekommen sind, beim Publikum einen besonders nostalgischen Punkt zu treffen. Gerade erst haben sowohl die neueste Fortsetzung von „Final Destination“ (2000) als auch das Realfilm-Remake von „Lilo & Stitch“ (2002) an den weltweiten Kinokassen alle Erwartungen übertroffen – und dass Michael „Bully“ Herbig im kommenden August mit seinem „Kanu des Manitu“ erneut einen Megahit landen wird, ist wohl spätestens nach den begeisterten Reaktionen auf die ersten Trailer so sicher wie der Whiskey im Saloon!
Im Schatten der alles überragenden 11,7 Millionen Besucher*innen für „Der Schuh des Manitu“ (2001) droht fast ein wenig in Vergessenheit zu geraten, dass auch „Mädchen Mädchen“ im selben Jahr einen riesigen Erfolg an den Kinokassen gelandet hat: Mit fast 1,8 Millionen verkauften Tickets lag die Teen-Komödie mit Karoline Herfurth, Felicitas Woll und Diana Amft sogar vor ihrem ein Jahr zuvor erschienenen männlichen Pendant „Harte Jungs“. Kein Wunder also, dass gerade jetzt eine Neuauflage von „Mädchen Mädchen“ in die Kinos kommt. Umso überraschender, wie wahnsinnig gut diese gelungen ist.
Die besten Freundinnen Inken (Kya-Celina Barucki), Vicky (Julia Novohradsky) und Lena (Nhung Hong) rufen – frei nach dem gleichnamigen Song von Megan Thee Stallion feat. Nicki Minaj und Ty Dolla $ign – einen „Hot Girl Summer“ aus. Schließlich steht für Inken spätestens, seit ihre Push-Up-Einlagen nach einem Bauchklatscher vom Dreimeterbrett für alle sichtbar im Freibadbecken herumschwammen, endgültig fest: Sie braucht endlich einen Orgasmus – und zwar sofort!
Allerdings ist das einfacher gesagt als getan: Ihr Macho-Freund Tim (Jason Klare) kommt nämlich viel zu schnell – und da ist es auch ganz egal, wie sehr Inken ihn beim Sex bittet, an den Klimawandel, seine Oma oder seine letzten FIFA-Niederlagen zu denken. Lena nimmt unterdessen allen Mut zusammen, um ihren Schwarm Nick (Jamie Lee Williams) anzuflirten. Aber dann kommt heraus, dass sie unter einem Pseudonym erotische Young-Adult-Storys im Internet veröffentlicht, was ihr direkt den Ruf als Stufenschlampe einbringt. Und als Vicky sich überraschend verliebt, funkt ihr ausgerechnet ein Vaginalpilz dazwischen…
Egal ob „Harte Jungs“ oder „Mädchen Mädchen“: Selbst, wenn die Filme inzwischen Kult sind, wirkten sie im direkten Vergleich mit der US-Konkurrenz damals doch immer auch ein wenig piefig und provinziell. Aber damit ist jetzt Schluss! Das „Mädchen Mädchen“-Remake beginnt mit einer sommerlichen Open-Air-Party, bei der direkt alle Stärken von „Achtsam morden“-Regisseurin Martina Plura, ihrer Kamerafrau (und Zwillingsschwester) Monika Plura sowie Drehbuchautorin Katharina Kiesl zum Tragen kommen: „Mädchen Mädchen“ legt direkt zum Start ein wahnsinnig hohes Tempo samt frech-provokanter, aber niemals dummer Gags vor. Dazu kommen drei wunderbar authentische Nachwuchsstars sowie eine lockere, zeitgemäße Ausdrucksweise ohne jeden OK-Boomer-Verdacht.
Ähnliches gilt für den visuellen Stil, der tatsächlich jung, frisch und energiegeladen, aber niemals anbiedernd rüberkommt – bis heute eine sehr seltene Kombination im deutschen Kino. Die Idee mit dem Motto „Hot Girl Summer“ war zunächst nur eine scherzhafte Chiffre, um intern den frechen Ton des Films zu beschreiben – aber schließlich hat es der Slogan dann doch bis ins Marketing und sogar als Untertitel aufs Poster geschafft. Das muss man sich erst mal trauen! Bereits nach der Auftaktviertelstunde ist allerdings klar, dass dieser Vergleich mit dem energiegeladenen Sommerhit von Megan Thee Stallion nicht zu hoch gegriffen ist. Das hätte sehr peinlich enden können, tut es aber nicht!
Apropos „Final Destination“: Neben dem Holzlaster-Unfall zu Beginn von „Final Destination 2“ (2003) ist der Fahrradsattel-Orgasmus von Diana Amft wohl der zweite ikonische Moment dieser Ära, an den sich jeder Teenie von damals auch heute noch erinnert. Auch im Remake gehört dieser deutsche „Harry & Sally“-Moment zu den komödiantischen Höhepunkten – neben einem Vaginalcreme-Einkauf, der quasi als erneut urkomisches Update für den legendären „Gib AIDS keine Chance“-Werbespot mit Hella von Sinnen als Supermarktverkäuferin („Tina, wat kosten die Kondome?“) fungiert. „Mädchen Mädchen“ steckt also erneut voller Fremdscham-Komik, wenn Inken etwa den fragwürdigen Tipp bekommt, dass eine volle Blase beim Orgasmus helfen könnte.
Und trotz der bewusst platzierten Cringe-Szenen ist das Gen-Z-Remake – vom Menstruationsblut im Chemieunterricht bis hin zu offenen Gesprächen über Sex – nicht nur sehr viel forscher, sondern dabei zugleich auch sehr viel entspannter als das Original. Nun könnte man meinen, dass es doch gerade die Verklemmtheit der Figuren und der Gesellschaft ist, die Sex-Komödien ihre Steilvorlagen liefert. Aber Pustekuchen! „Mädchen Mädchen“ ist der beste Beweis dafür, dass es sogar noch viel lustiger sein kann, nicht gleich aus jedem Fliegenschiss einen Elefanten zu machen, sondern die – teils brisanten – Themen offen, ehrlich und authentisch anzugehen. Piefig war gestern!
Fazit: Früher musste man schon froh sein, wenn deutsche Teen-Comedys im Vergleich zu den US-Vorbildern nicht allzu sehr abstinken. Aber das hat sich dank „Mädchen Mädchen“ nun geändert: Eine derart energiegeladene Highschool-Sex-Komödie haben wir auch jenseits des Atlantiks lange nicht mehr erlebt…
PS: Um dem immer mal wieder vorgebrachten „Vorurteil vom lahmen deutschen Film“ etwas entgegenzusetzen, hat sich die FILMSTARTS-Redaktion dazu entschieden, die Initiative „Deutsches Kino ist (doch) geil!“ zu starten: Jeden Monat wählen wir einen deutschen Film aus, der uns besonders gut gefallen, inspiriert oder fasziniert hat, um den Kinostart – unabhängig von seiner Größe – redaktionell wie einen Blockbuster zu begleiten (also mit einer Mehrzahl von Artikeln, einer eigenen Podcast-Episode und so weiter). „Mädchen Mädchen“ ist der neueste Film, dem wir dieses Siegel verleihen.